Jürgen Matzka (GFZ Potsdam)
Quantifizierung des Einflusses von solarem Flux und geomagnetischer Feldstärke auf das äquatoriale Thermosphäre-Ionosphäre-System auf von Satellitenmissionen nicht abgedeckten Zeitskalen
Die obere Atmosphäre - oder Ionosphäre - wird auf der Tagseite der Erde durch Sonnenstrahlung ionisiert und elektrisch leitfähig. Atmosphärische Bewegungen kombiniert mit dem Erdmagnetfeld wirken wie ein Dynamo und generieren elektrische Felder und Ströme in der Ionosphäre, die wiederum Magnetfelder erzeugen. Der äquatoriale Electrojet (EEJ) ist ein auffälliges ionosphärisches Stromsystem, das in Magnetfelddaten von Satelliten und Bodenstationen besonders gut aufgelöst wird. Es handelt sich um ein schmales Band hoher elektrischer Stromdichte auf der Tagseite der Erde, das sich in einer Höhe von ca. 110 km über dem magnetischen Äquator ausbildet. Die Stärke des meist ostwärts gerichteten Stroms hängt von der solaren Strahlungsstärke ab, aber auch von der Stärke des erdmagnetischen Hauptfeldes und von Gezeitenbewegungen. Satellitenmissionen zu Magnetfeldmessungen können die Struktur und die Dynamik der ionosphärischen Ströme in der Regel sehr gut entschlüsseln. Prozesse, deren Zeitskala die von Satellitenmissionen (mehrere Jahre) überschreiten, sind jedoch schwierig zu quantifizieren. Ebenso können lokale Effekte, die nur Stunden oder Tage dauern, wegen der begrenzten Abdeckung durch Satelliten nur auf statistischer klimatologischer Basis beschrieben werden. Um die daraus resultierenden Beobachtungslücken zu füllen und damit zu einem besseren Verständnis der Ionosphäre zu gelangen, kann gegebenenfalls auf Beobachtungen von günstig platzierten, permanenten Bodenstationen zurückgegriffen werden. Mit unserem Projekt werden wir zu einem besseren Verständnis des äquatorialen Thermosphären/Ionosphären-Systems beitragen, indem wir die Abhängigkeit des EEJ von der Magnetfeldstärke und von der solaren Strahlungsstärke besser quantifizieren. Dies wird auch zu einem besseren Verständnis der Signatur des EEJ in Magnetfelddaten von Satelliten führen, zum Beispiel der Swarm-Mission. Für unser Projekt werden wir die 90 Jahre überspannende Zeitreihe des geomagnetischen Observatoriums Huancayo in Peru analysieren, das am magnetischen Äquator liegt. Zunächst werden wir eine lange Datenlücke in dieser Zeitreihe schließen, indem wir kürzlich wiederentdeckte, über einen Zeitraum von 15 Jahren handgeschriebene Tabellen mit Daten aus Huancayo digitalisieren, so dass seit 1922 das Magnetfeld in allen Komponenten über eine Zeitspanne von 90 Jahren digital vorliegt. Die wiederentdeckten Daten sind aus den 1960er und 1970er-Jahren und sind mit zwei Highlights verbunden: Südamerika inklusive Huancayo hat die größte Abnahme des Erdmagnetfeldes von allen Äquatorregionen erfahren (10% seit 1968), damit kann sehr genau der Zusammenhang zwischen Magnetfeldstärke und EEJ-Amplitude quantifiziert werden. Außerdem decken die wiederentdeckten Daten einen Sonnenfleckenzyklus mit geringer Aktivität ab. Dies ist der einzige Sonnenzyklus, der durch die seit 1947 verfügbare F10.7-Messreihe der solaren Strahlungsstärke abgedeckt wird und der ähnliche niedrige F10.7-Werte aufweist wie das jetzige, besonders schwache Sonnenfleckenmaximum.