Julien Baerenzung, Matthias Holschneider (Universität Potsdam)
Stochastische und physikalische Modellierung des Magnetfeldes der Erde
Das Magnetfeld der Erde besteht aus zahlreichen Quellen. Diese durch Messungen an der Erdoberfläche oder mittels tief fliegender Satelliten zu trennen ist eine groβe Herausforderung. Allerdings kann hierfür die Unterschiedlichkeit der Dynamiken der Quellen benutzt werden. So ist die zeitliche Entwicklung der internen Quellen wie des Kernes oder der Lithosphäre sehr langsam oder quasi statisch, wohingegen sich die externen Quellen wie die in der Ionosphäre oder der Magnetosphäre oder aber die durch diese induzierten Felder im Mantel oder der Kruste und den Ozeanen sehr schnell verändern. Im Allgemeinen werden bei der Magnetfeldmodellierung auf der Basis von Observatoriums- und Satellitendaten nur die zeitlichen Charakteristika der Quellen benutzt, die spezifische räumliche Morphologie der Quellen und deren Korrelation wird dagegen vernachlässigt. Jedoch sollte die gleichzeitige Verwendung der räumlichen und zeitlichen Randbedingungen in einer Inversion die Trennung der verschiedenen Komponenten des beobachteten Magnetfeldes verbessern. Allerdings ist eine volle Inversion der Daten, basierend auf der vollständigen Raum-Zeit-Korrelation, nicht möglich. Insbesondere um eine optimale Separation der Felder zu erzielen, müssen alle sich überlappenden Felder gleichzeitig berücksichtigt werde, und das bis zu den kleinsten signifikanten Längenskalen, was zu einer Explosion des numerischen Aufwandes führt. Deshalb schlagen wir vor, einen sequenziellen Algorithmus der Datenassimilierung basierend auf dem Kalman-Filter zu entwickeln, um hochentwickelte Modelle in Abhängigkeit von Raum und Zeit für die verschiedenen Quellen des Magnetfeldes mit Bodendaten von Observatorien und hochaufgelösten Satellitenmessungen zu kombinieren. Diese Methode ist nicht nur deshalb attraktiv, weil sie den Bedarf an Rechnerkapazität drastisch reduziert, sondern auch weil sie eine Abschätzung der Messungenauigkeiten und die Vorhersage zukünftiger Feldmodelle ermöglicht. In einem ersten Schritt werden wir dynamische Modelle basierend auf einem autoregressiven Ansatz benutzen. Die Charakterisierung dieser stochastischen Prozesse durch skalenabhängige Parameter ermöglicht die Simulation von dynamischen Prozessen in Abhängigkeit von Raum und Zeit. Da es sich dabei um Gaußsche Prozesse handelt, können sie in die lineare Version des Kalman Filters integriert werden, was den Algorithmus sehr effizient und statistisch überprüfbar macht. In einem zweiten Schritt werden dann physikalische Modelle, wie sie in dreidimensionalen Simulationen des Geodynamos oder bei der Modellierung von induzierten Magnetfeldern in Ozeanen verwendet werden, in den Algorithmus eingebaut und mit den stochastischen Modellen kombiniert. Mit diesem Projekt soll ein Modell des Magnetfeldes der Erde mit einer bisher unerreichten räumlichen und zeitlichen Auflösung erstellt werden, welchen den gesamten Zeitraum vom gesamten 20. Jahrhundert bis heute erfasst. Dabei wird das volle Potential der zur Verfügung stehenden Datensätze berücksichtigt, unter Verwendung von oberflächen-basierten Observatoriumsdaten bis zu den hochpräzisen Satellitendaten der SWARM-Mission.
Das mit dem neuen Verfahren berechnete Magnetfeldmodell ist unter dem folgenden Link verfügbar: https://ionocovar.agnld.uni-potsdam.de/Kalmag/